Novial Lexike - Vorwort

von Otto Jespersen, 1930

They haue beene at a great feast of languages, and stolne the scraps. - SHAKESPEARE

Was die Sprache gewollt, haben die Sprachen zerstört. - SCHILLER

L'égoïsme et la haine ont seuls une patrie,
La fraternité n'en a pas. - LAMARTINE


DIESES Buch bietet den notwendigsten Wortvorrat der internationalen Sprache NOVIAL: NOV neu International Auxiliari (Hilfs-) Lingue (Sprache). Mein Buch An International Language (London, G. Allen & Unwin; deutsche Übersetzung Eine internationale Sprache, Heidelberg, C. Winter) enthält (1) eine Enleitung über das dringende Bedürfnis nach einer solchen Sprache, (2) die Geschichte der Bewegung mit Kritik der bis jetzt vorgeschlagenen Kunstsprachen, (3) eine ausführliche Grammatik, in der jedes Kapitel di Gründe angibt, die zu eben diesen und keinen anderen Formen geführt haben, (4) wissenschaftliche Grundsätze für die Wort-auswahl, und (5) mehrere Textproben um den Gebrauch der Sprache für verschiedene Zwecke und in verschiedenen Stilarten zu zeignen.

Wie muss eine Hilfssprache für internationalen Gebrauch aufgebaut werden?

Das Lautsystem muss so einfach wie möglich sein und darf weder Laute noch Verbindungen enthalten, die vielen Nationen Schwierigkeiten bieten. Deshalb lässt man nur die fünf Vokale a, e, i, o, u zu, dagegen weder Nasalvokale noch gerundete Vorderzungenvokale (ü, ö), die in so wichtigen Sprachen wie Englisch, Spanisch, Italienisch, Russisch fehlen. Unter den Konsonanten sind sowohl palatalisierte Laute (wie die im franz. agneau; it. ogni, egli; sp. año, calle), als die deutschen ch- und die englischen th-Laute unerträglich. Durch alleinigen Gebrauch von s, wo einige Sprachen ein stimmloses s von einem stimmhaften (phonetisch z) scheiden, erhält man eine bedeutende Vereinfachung, nicht allein deshalb, weil viele Völker diese Unterscheidung nicht kennen, sondern auch, weil die Verteilung der beiden Laute auf die Wörter notwendigerweise in vielen Fällen willkürlich wäre und somit für jedes Wort besonders müsste auswendig gelernt werden. Akzent (Druck) darf nicht verwendet werden um Wörter auseinanderzuhalten.

Die Rechtschreibung muss ebenfalls einfach sein: um sie leighter zu gestalten, sollte man alle die Vereinfachungen einführen, die schon in einigen Sprachen durchgeführt sind, z. B. f statt ph, t statt th, einfache Konsonanten und Vokale statt doppeltgeschriebener, wie im Spanischen. Akzente und andere Beizeichen über oder bei den Buchstaben sind entbehrliche Verwickelungen. Kein Buchstage darf zwei verschiedene Aussprachen haben je nach der Stellung: g in gi, ge muss wie in ga, go lauten (vgl. E give, get). Ich weiss sehr wohl, dass viele Leute c in conclusione, cria, clari vorziehen würden, wo ich k schreibe: die romanischen Völker und die Engländer haben den Buchstaben k nicht gern (der ja auch nicht schön ist!); ich bitte aber die Tatsache in Betracht zu ziehen, dass nicht nur die Deutschen, Holländer und Skandinavier, sondern auch die Slawen, also sehr viele Millionen, k in lateinischen Lehnwörtern schreiben (poln. z. B. kleryk, kredyt, klasa, kronika, krystal; tschechisch, russisch u.s.w. dementsprechend). Die neue offizielle türkische Rechtschreibung mit lateinischen Buchstaben stimmt vortrefflich mit den Regeln, die ich für Novial angenommen hatte, ehe ich mit dieser Tatsache bekannt geworden war: bank, koridor, fabrika, kontrol, kolosal, sigar, sivil, bisiklet.... Jedenfalls scheint k unentbehrlich zu sein vor e und i: anke, kelki, kelke; amike Freund oder Freundin, und dann natürlich auch amiko, amika, amikal. Ich muss aber zugeben, dass der Gebrauch von c statt k in solchen Verbindungen den Charakter des Novial nicht wesentlich entstellen würde und viel erträglicher wäre als der Gebrauch von c mit der Aussprache s oder ts, der ganz besonders lästig ist, wenn er wie im Esperanto auch vor a, o, u vorkommt. In einer internationalen Sprache könnte man, und sollte man vielleicht, alles mit Kleinbuchstaben schreiben, da die Regeln für Grossbuchstaben überall mehr oder weniger gutdünklich sind; ich habe es aber vorläufig nicht gewagt, diese Neuerung vorzuschlagen.

Die Grammatik muss sehr einfach und leicht sein, d.h. möglichst regelmässig. Wenn eine Endung für die Mehrzahl (hier s) oder für weibliches Geschlecht (hier a) angenommen ist, empfiehlt es sich, sie in allen Wörtern anzuwenden, nicht nur in Substantiven, sondern auch in Pronomina. Einige Anhänger der internationalen Sprache wollen diesen Grundsatz nicht gelten lassen und setzen besondere Pronominalformen für diese beiden Kategorien an, mit der Begründung, dass die Pronomina in allen Nationalsprachen unregelmässig sind, und dass es deshalb gegen gemeinsprachliche Psychologie streitet, regelmässige Pronomina zu schaffen. Dies ist aber nur eine Halbwahrheit, ja man kann geradezu sagen, dass es falsch ist; in der geschichtlichen Entwickelung streben auch die Pronomina nach Regelmässigkeit, wie ich dies in bezug auf Englisch schon im Jahre 1891 dargelegt habe; und wenn die Vereinfachung in dieser Wortklasse sehr langsam ist, beruht es darauf, dass der überaus häufige Gebrauch die Formen in der Erinnerung festsetzt. Man sieht ganz dasselbe in den am häufigsten gebrauchten Verben, die aus demselben Grunde in allen unseren Sprachen unregelmässig sind (am, is, was, be; bin, ist, sind, war; suis, est, était, fut, sera; go, went; vais, aller, irai; gehe, ging, gegangen...). Aber dessenungeachtet hat kein Interlinguist vorgeschlagen, dass man in einer Kunstsprache die entsprechenden Verben unregelmässig biegen solle. Eine Ausnahme ist in dem einen Fall ebensowenig angemessen wie im anderen. Fortschritt in den Nationalsprachen hat überall zu einfachen und analytischen Formen geführt: dies soll uns die Richtschnur beim Aufbau einer internationalen Sprache angeben. Und natürlich kann und muss eine solche Sprache freier von Launen und Komplikationen sein als selbst die am weitesten fortgeschrittene Natursprache.

Glücklicherweise gibt es eine ganze Menge wortbildender Elemente (Vor- und Nachsilben), die schon international bekannt sind, und die wir unverändert übernehmen können. Das einzige, was dabei not tut, ist, den Gebrauch zu präzisieren und die Anwendung desselben Präfixes oder Suffixes bei allen Wörtern zu ermöglichen, während dagegen die Natursprachen allerlei mehr oder weniger unerklärliche Einschränkungen enthalten. Unklare und ungenaue Begriffsbestimmungen von Suffixen sind in einer rationællen Sprache ungelegen; noch weniger angemessen ist---um nur ein Beispiel zu nennen---der Gebrauch der beiden lateinischen Vorsilben in in fast entgegengesetzten Bedeutungen: inscrit eingeschrieben und inscrit ungeschreiben (der Akzent ist ein unbefriedigender und unwirksamer Notbehelf). Einer der grössten Vorteile einer Kunstsprache besteht darin, dass man immer selbst ein Wort bilden kann mittelst bekannter Zufügungen, ohne zuerst fragen zu brauchen, ob es schon gebräuchlich ist; aber wenn Wortstämme und Ableitungssilben gut gewählt sind, bildet man mit diesen Mitteln erstaunlich viele schon bekannte Wortableitungen.

In bezug auf die Wahl der Wörter ist das wesentlichste Prinzip, im grösstmöglichen Umfang die Wörter zu verwenden, die schon international sind, und für die übrigen diejenigen zu wählen, die am mindesten Friktion erzeugen. Unglücklicherweise haben einige ganz internationale Wörter so unbestimmte Bedeutungen, dass man sie in einer wahrhaft philsophischen Sprache vermeiden müsste, z. B. Natur, Form, Pension, Materialismus, romantisch. Novial macht keinen Anspruch darauf---und kann es auch nicht---allen derartigen Ubelständen abzuhelfen; in anderen Fällen aber bin ich bestrebt gewesen, die Bedeutungen der Wörter zu präzisieren. Wo die Sprachen, die die Grundlage von Novial bilden, dieselbe oder eine sehr ähnliche Form für zwei Begriffe darbieten, die notwendigerweise auseinander zu halten sind, sind die Formen gewählt worden, die sich am leichtesten unterscheiden und im Gedächtnis festhalten lassen. Z. B. sind für die beiden Bedeutungen von deutsch Bank = fr. banque, banc, engl. bank, bench die Formen banke (mit bankere, bankrote) und benche in jeder Beziehung besser als banko und benko (Ido) oder banq (bank) (mit banqero und bancrott) und banc (Occidental: wie soll man die beiden Wörter verschieden aussprechen?). Das Wörterbuch enthält viele Beispiele solcher Differenzierungen, die mir wünschenswert oder sogar notwendig erscheinen (organe orgele; borse purse; pasa pase pasu; volkane vulkanisa; komun komunie...).

[about two thirds done -- page 24]
Don Blaheta / dpb@cs.brown.edu
































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